Von der Musik der tausend Plateaus oder ihrem Bau
Norbert Schläbitz
„Ich habe den Bau eingerichtet und er scheint wohlgelungen. Von außen ist eigentlich nur ein großes Loch sichtbar, dieses führt aber in Wirklichkeit nirgends hin, schon nach ein paar Schritten stößt man auf natürliches festes Gestein“ (Kafka 1996: 132).
Rahmungen in der Kunst
Kunstwerke im Allgemeinen weisen Rahmungen auf, die als Grenzen wahrgenommen werden. Ein Buch beginnt und endet – so scheint es zumindest. Und dazwischen nur spielt sich eine bedeutend phantastische Welt ab. Ein Bild hat eine Fläche, die von einem Rahmen umgeben ist und verdeutlicht auf ähnliche Weise, wo die Illusion und Interpretation ihr Ende findet. Solche Rahmungen markieren „Gegenstände“ und weisen Phantasiereisenden in der Kunst den Weg, ermöglichen den Austritt, auch deshalb, weil eine Abstand ermöglichende Grenze stets erhalten bleibt. Man mag Texte konkretisieren und Bilder verinnerlichen, stets bleibt ein materieller Abstand erhalten und wird plastisch dokumentiert durch irgendwelche Rahmungen. Sicherlich – Foucault hat zu recht die Einheit des Buches als Knoten in einem diskursiven Netz (vgl. Foucault 41990: 36) und das homogene Werk als „Gewimmel sprachlicher Spuren“ (ebd.: 37) verdeutlicht, gleichwohl bleibt die augenscheinliche Rahmung durch die prinzipielle Gegenständlichkeit des Interesses erhalten, was zumindest die Vorstellung oder Suggestion vom „Anfang und Ende“ am Leben hält.
Die Rahmung, die man in der Musik mit dem „Objekt“ der Partitur einst gefunden hatte, was der Musikwissenschaft die dem Auge geschuldete Analyse und Leben gab, erwies sich im 20. Jahrhundert mit neuen Aufschreibesystemen recht bald als instabil, als grenzerweiternd das Rauschen der Welt erforscht wurde, das sich in Partituren nicht mehr symbolisch festhalten ließ.
Seitdem ist eine Rahmung der Musik nicht so leicht mehr auszumachen, wo ein Abstand zur erklingenden Musik nicht möglich ist. Zwar hat auch die Musik Anfang und Ende, aber schon hier wird ein Unterschied zu den anderen Künsten deutlich, denn die Rahmung wird verkörpert durch ein „Nicht“, eine Negativität – allein durch die Abwesenheit von Klang. In diesen Rahmen ist dann die Fülle eines organisierten Klanges eingebettet. Bevor die Musik im Konzertsaal beginnt, verebbt folgerichtig das Stimmengewirr der Zuhörer; die kurz zuvor noch um ihre Stimmung besorgten Musiker halten ein und verstummen ebenfalls. So entsteht die Rahmung des „Nicht“, sodass – auf ein Zeichen des Zeremonienmeisters – aus dieser Ruhehaltung heraus Musik empor schwellen kann. Wir haben es also mit einem Rahmen zu tun, der gerade dadurch Rahmen ist, dass es keinen gibt.
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